Mamma Mia!

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Mamma MIa!

Die „Unterbrochene Hinbewegung“ im Familienstellen

Mütter und Töchter, ein Thema mit vielen Variationen. -Nicht immer oder sogar eher selten eines mit Happy-End. Seitdem uns schon die Boulevard-Blätter belehren, dass die Mutterbindung einen ganz großen Einfluss auf unser Leben hat, „wissen“ wir zwar, dass die Mutter wahrscheinlich an allem Möglichem in unserem unbefriedigendem Leben Schuld hat, sei es, dass sie uns zuwenig oder zuviel geliebt hat, falsch ernährt oder nicht Leboyer-gerecht geboren hat, nach der falschen Methode erzogen oder was auch immer getan oder auch nicht getan hat. Leider hilft uns diese Erkenntnis keinen Schritt weiter. Zudem es ja völlig natürlich ist, dass Mütter jede Menge Fehler machen. Eine Erkenntnis, die meist erfahrbar wird, wenn Töchter selber zur Mutter werden.
Die grundlegende Bindung zwischen Mutter (natürlich auch dem Vater!) und Kind entsteht kurz nach der Geburt und vertieft sich noch in den ersten Lebensjahren. Hier entsteht beim Kind das Gefühl von „Ja!“ zum Leben und allem was dazugehört oder eben ein „Nein“ bzw. „vielleicht manchmal...“.
Diese Bindung ist störanfällig. Trennung von Mutter und Kind, eine traumatische Geburt, eine selbst bindungsgestörte/traumatisierte Mutter und manches mehr können zu nachhaltigen Störungen führen. Leider grassieren die Folgen dieser „unterbrochenen Hinbewegung (Bert Hellinger) auch in unserem späteren Erwachsenen-Leben wie ein Virus, der sich ausbreitet.
Die Mutter ist für den Säugling lebenswichtig, ist sozusagen die Welt. Habe ich hier kein innerliches „Ja!“ erfahren, ergeben sich alle möglichen späteren Folgen daraus, z.B. Schwierigkeiten mit dem Essen (zu wenig, zu viel oder beides), Allergien und Empfindlichkeiten (alles mögliche ist schlecht für mich oder könnte schaden), mit Wohnung und Verwurzelung, der eigenen Identität als Frau, dem Sorgen und für sich selbst gut sorgen, einem fehlenden Urvertrauen, mangelnder Bindungsfähigkeit, Krankheiten und den verschiedensten Ängsten.
Meist ist der Wunsch des Erwachsenen dann: „Ich möchte mich abnabeln von der Mutter“. Das ist verständlich, gelingt jedoch in dieser Form normalerweise nicht. Unabgeschlossene Themen, negative Emotionen binden sehr stark. Wie ein Gummiband zieht mich das, egal wie weit ich mich zu entfernen versuche, wieder zurück.
Manche Betroffenen suchen Heilung in der Spiritualität. Meiner Beobachtung nach ist es allerdings sehr schwierig bis fast unmöglich, die eigene Mutter auszuklammern und über Umwege doch noch zum ersehnten Ziel zu kommen. Der Mutter Erde zu huldigen löst noch nicht automatisch die Probleme mit meiner eigenen Mutter (eher umgekehrt) und so manche Energie- und Aurafühlige ist unterbewusst immer noch auf der Suche nach der guten Mutter. Auch das häufige Wechseln von Ernährungstheorien oder anderen Gesundheitstrends spricht für eine Störung des seelischen Genährtseins.
Ein anderes großes Problem von vielen Frauen, das voreilige Ja-Sagen und das „Gefallen-Wollen um (fast) jeden Preis“, ein Sichaufopfern bis zum Ausgebrannt-Sein ist nicht selten auch die Folge einer unterbrochenen Hinbewegung. Denn wenn die Mutter das Kind nicht annimmt (aus welchen Gründen auch immer), ist für die Kinderseele nur eine Schlussfolgerung möglich: „An mir ist etwas verkehrt. Ich muss es anders machen, ich bin minderwertig, fehlerhaft, muss mich eben noch mehr anstrengen.“ Fruchtet dies nichts, kann diese Haltung auch in Frustration, Depression oder Rebellion umschlagen.

Was tun? Am einfachsten wäre es, einfach festzustellen, dass die Kindheit vorbei ist und dass die Mutter damals und als Mutter eben einfach ihr Bestes gegeben hat, wie eigentlich alle Mütter auf der Welt das tun, auch wenn es einem hier und da als mangelhaft erscheint.
Bert Hellinger sagt dazu etwas provokant: „Das, was eine Mutter zur Mutter macht, ist, dass sie das Leben weitergegeben hat. Das ist das Entscheidende. Alles andere ist Zugabe.“
Doch oft gelingt das nicht so ohne weiteres.
Ein Weg kann, neben vielen anderen Wegen, den inneren Kontakt zur Mutter stellvertretend im Rahmen einer Familienaufstellung wieder aufzunehmen (obwohl die unterbrochene Hinbewegung strenggenommen kein systemisches Problem ist). In diesem geschützten Rahmen kann hier oft doch noch das gelingen, was in der Realität nicht gelingen konnte. Zudem gibt es nicht selten auch hinter einer Bindungsstörung ein systemisches Problem, das hier dann unterstützend gelöst werden kann.
Im Bild mit dem Gummiband gesprochen – ich muss erst noch einmal ganz nah heran und die unterbrochene (Hin-)Bewegung zum Ende führen, dann kann ich mich auch lösen (in innerer Verbindung).
Erstaunlicher Nebeneffekt: Viele Teilnehmerinnen berichten nach einer gelungenen Hinbewegung zur Stellvertreter-Mutter, dass neben einem Energiezuwachs, mehr Erdung im Leben und mehr Freude auch Ihre reale Mutter auf einmal ganz anders geworden wäre (obwohl sie ja gar nicht dabei war) und dass das Verhältnis untereinander viel besser geworden sei. Teils beruht dies wohl auf den Effekten des „Morphogenetischen Feldes“, oft ist es jedoch ganz simpel die eigene Sichtweise, die sich geändert hat und neue Kommunikation ermöglicht. Auf dieser Basis ist dann auch eine wirklich gesunde Abnabelung (in innerer Verbundenheit) und ein wirkliches Erwachsenwerden möglich.

Antje Jaruschewski
(veröffentlicht in „Achtsames Leben“ 2003)

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